Ein Kommentar von Jonas Lindemann, Co-Founder und CEO Hafven
Ich lebe und arbeite in einer Stadt, die viele nicht auf dem Schirm haben. Es ist nicht die schönste Stadt der Welt (sorry Fußball-Fans), nicht die größte Stadt, sie erinnert manchmal an Metropole und manches Mal an ein großes Dorf, sie ist eine von 16 Landeshauptstädten, eine von über 80 deutschen Großstädten.
Eine Stadt mit einem BIP von über 50 Mrd. EUR – eine ansehnliche Wirtschaftsleistung – und sie ist das Zuhause von weltweit bekannten Konzernen. Man hat relativ viel Arbeit, ein relativ gutes Einkommen eine relativ hohe Lebensqualität. Die besten Voraussetzungen also – um nichts verändern zu müssen. Hannover ist so Synonym für viele europäische Städte und für das ganze Land. Hannover ist überall.
Es reicht nicht mehr nett “Danke” zu sagen
Das Problem dabei: Die Welt ist nicht wie Hannover. Sie verändert sich um uns. Die Menschheit steht heute vielleicht vor ihrer größten Herausforderung: eine explodierende Weltbevölkerung im Konsumrausch mit dem Überleben unserer Spezies zu vereinbaren. Ein weiter so wird es nicht mehr gehen können.
es gibt eben auch die großen Visionen, bei denen von vornherein klar ist, dass es viel Zeit und Geld braucht, um diese umzusetzen und hier hört leider heute wie vor 10 Jahren unser Unterstützungssystem auf
Seit jetzt fast 10 Jahren arbeiten wir mit verschiedenen Projekten daran, möglichst vielen Menschen eine Plattform zu bieten, die es erlaubt selbst Probleme zu lösen und so auf unternehmerischem Weg eine Wirkung möglichst auf der ganzen Welt zu entfalten. Es gab viele Projekte, die diesem Anspruch nie gerecht werden konnten und ja auch viele, die diesen Anspruch nie formulieren oder sogar denken konnten – aber es gibt eben auch die großen Visionen, bei denen von vornherein klar ist, dass es viel Zeit und Geld braucht, um diese umzusetzen und hier hört leider heute wie vor 10 Jahren unser Unterstützungssystem auf. Wir sehen extrem wenige Investitionen in der Realisierung radikaler Innovation. In Vorhaben, die ein paar Jahre unkontrollierbar, weil explorativ, betrieben werden. Ansätze bei denen volles Risiko auf große Chance trifft. Volles Risiko sind hier immer nur die mutigen Gründerinnen gegangen, die in Zeiten der Vollbeschäftigung ihren Lebenslauf, ihr eigenes Vermögen, das Vermögen ihrer Familien, Freunde und einiger weniger "Business Angel" aufs Spiel gesetzt haben. Diesen Menschen gehört mein und sollte unser aller Respekt und Dank gehören.
Wir sehen extrem wenige Investitionen in die Realisierung radikaler Innovation
Aber auch nett "Danke" zu sagen reicht schon lange nicht mehr. Wir können es uns schlichtweg nicht mehr Leisten nicht zu handeln und damit einigen wenigen, die es trotzdem machen, alle Verantwortung für die Zukunft zu übertragen. Wir brauchen den Aufbruch der vielen, vielen klugen Köpfe, die diese Welt am Fließband produziert und ihnen dann keinen Raum bietet Wirkung zu entfalten.
Wer radikale Innovation will, muss endlich radikal anders investieren
Heute sind mehr denn je alle Akteure in den Hannovers dieser Welt gefragt, mit ins Risiko zu gehen. Wenn sich Regionen mit dem BIP eines kleinen Landes auf den Weg machen, wenn Konzerne ernst machen mit Investitionen in offene Innovation außerhalb etablierter F&E-Prozesse, wenn Sprunginnovation außerhalb des Elfenbeinturms der Exzellenz-Wissenschaft gefördert wird, wir also nicht mehr über ein paar Tausend Euro sprechen, die mal hier mal dort investiert werden, sondern über Milliarden, nur dann sehe ich eine echte Chance darauf, dass die Lösungen für die Probleme unserer Zeit hier erfunden werden können.
Nur so haben wir eine echte Chance auf eine Zukunft in der jede*r ermächtigt ist sein Wissen, ihre Motivation und die großartigen technologischen Errungenschaften der Menschheit einzusetzen, um die großen Probleme zu lösen. Ich fordere eine Demokratisierung der Innovation in Deutschland. Es ist höchste Zeit.